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Andere Perspektive | Kapitel 1

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„Bitte nicht!“, brüllte der junge Mann auf der Liege verzweifelt. Angstschweiß glänzte auf seiner Haut, mit aller Kraft wand er sich gegen seine Fesseln, die ihn auf der Liege hielten.

„Tun Sie es, jetzt!“, rief ein uniformierter, breitschultriger Oppositionsanhänger, dem das Ganze zu lange dauerte. Diese fünf Forscher in ihren weißen Kitteln sahen überhaupt nicht danach aus, als wären sie zu irgendetwas fähig.

Die Spritze mit der tödlichen Flüssigkeit haltend, stand Graham Wilson wie zur Salzsäule erstarrt da und bewegte sich nicht. Mit klopfendem Herzen blickte Benjamin auf seinen Freund. Sein Herz fühlte sich an, als müsste es gleich aus seinem Brustkorb springen. Es schnürte ihm die Kehle zu, er fühlte sich wie betäubt. Nach so vielen Jahren der Forschung und Entwicklung standen sie hier nun: Benjamin, Graham, John, Clark und Michael. Benjamin wusste, dass seine Freunde in diesem Moment genauso viel Angst verspürten wie er selbst. Sie alle hatten schwarze Schatten unter den Augen und sahen müde und abgekämpft aus. Nur noch weg wollten sie von diesem schrecklichen Ort, der sich zum Alptraum entwickelt hatte.

Plötzlich riss der breitschultrige Mann Graham die Spritze aus der Hand.

„Alles muss man selbst machen!“, beschwerte sich der Hüne, wobei er sich dem jungen Mann auf der Liege energisch näherte. Graham warf sich mit aller Kraft gegen den Hünen, den er durch seinen Angriff etwas aus dem Gleichgewicht brachte. Wütend holte dieser mit dem Ellenbogen aus, Graham schmerzhaft an der Nase treffend.

Benjamin sah Graham zurückrudern und ungelenk auf den Boden fallen. Blut sickerte aus dessen Nase, die sicher höllisch zu schmerzen begann. Gerade wollten ihm Benjamin, John, Clark und Michael zu Hilfe eilen, als ein weiterer uniformierter Mann durch die Tür brach. Hektisch um sich blickend, verschaffte er sich einen Überblick in der tumultartigen Szene.

„Was ist denn hier los, verdammt nochmal!“, brüllte er.

„Halt diese Idioten in Schach, die widersetzen sich den Anweisungen!“, gab der breitschultrige Hüne wütend zurück.

Sein Kollege legte sofort seine Waffe an und bedeutete Benjamin, John, Clark und Michael, die Arme zu heben. Graham wand sich ohnehin schon auf dem Boden, von ihm sollte keine Gefahr mehr ausgehen.

Den jungen Mann am Hemdkragen packend, hob der Hüne die Spritze an.

Jeder Schrei, den der junge Mann auf der Liege von sich gab, hallte in Benjamins Ohren nach.

„Schau mich an“, rief Graham dem jungen Mann mit schwacher Stimme zu, doch der hörte ihn nicht, es war zu spät. Dessen letzter Anblick war das feiste Gesicht seines Peinigers.

„Gleich bist du Geschichte“, knurrte dieser, während er der armen Gestalt gewaltsam die Flüssigkeit in den Brustkorb drückte.

Benjamin hielt, genauso wie seine Freunde, den Atem an. Es dauerte nicht lange und der Körper des jungen Mannes begann haltlos zu zittern, was die ganze Liege bedenklich ins Wanken brachte. Schaum bildete sich vor seinem Mund, die Adern traten deutlich unter der Haut hervor. Es sah aus, als würden sich alle Muskeln im Körper des Mannes anspannen, um sich gegen die tödliche Flüssigkeit zur Wehr zu setzen, die sich im Körperinneren ausbreitete. Benjamin wurde schwindelig, als es den Kopf des jungen Mannes herumwarf und sich seine schmerzerfüllten Augen auf ihn richteten.

 

*

 

„Nein!“, schrie Daniel und fuhr keuchend aus seiner Erinnerung zurück ins Hier und Jetzt. Er zitterte am ganzen Körper, sein Schlafanzug klebte ihm unangenehm auf der Haut. Vollkommen erschöpft wischte er sich den Angstschweiß von der Stirn und versuchte, sich im Dunkeln zu orientieren.

„Daniel, was ist mit dir?“, fragte Noel ängstlich, der im gegenüberliegenden Bett schlief, vom Schrei seines Freundes jedoch aufgewacht war.

Plötzlich öffnete sich ihre Tür, eine besorgte Maria hastete zu ihnen herein.

„Was ist los? Wer hat gerade so furchtbar geschrien?“, fragte sie, während sie das Licht anschaltete.

„Ich …“, antwortete Daniel mit leiser Stimme. Eigentlich wollte er noch eine Entschuldigung anfügen, doch sein Mund war wie ausgetrocknet. Maria kniete sich neben ihn und strich ihm beruhigend über sein Haar.

„Ich habe gesehen, wie er getötet wurde“, flüsterte Daniel krächzend. Tränen formten sich in seinen Augen und kullerten kurz darauf haltlos über seine Wangen.

„Wen meinst du?“, fragte Maria.

Ihrem Blick ausweichend, sah Daniel traurig hinüber zu seinem Freund Noel, den er in seinem Traum gerade noch als Clark an seiner Seite hatte.

„Der Mann, den Scarlett, Mason, Oliver, Emma und Liam ausgegraben haben. Wir sind schuld daran, dass er tot ist.“

Den zitternden Jungen in ihre Arme nehmend, streichelte Maria Daniel beruhigend über den Rücken.

„Wann kommen sie zurück? Warum haben sie sich noch nicht gemeldet?“, presste Daniel angestrengt hervor. „Ich muss mit Peter reden!“

Maria verstand. Peter erinnerte sich bereits an seine Vergangenheit und könnte Daniel besser zur Seite stehen als Noel, den noch keine Erinnerungsträume plagten.

„Sie kommen sicher bald zurück, hab Geduld“, murmelte Maria leise und drückte Daniel liebevoll an sich.

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